Die Grosse Mauer zu Fuss (7. Mai 2004): Von Jinshanling
nach Simatai!
Für unsere nächste Chinareise suchte ich noch den "finalen
Mauerthrill". Und nach dem heutigen Tag, denke ich mal, habe
ich ihn gefunden. Die Wanderung sollte bei der Mauer in Jinshanling
beginnen und beim Mauerstück in Simatai enden. Aber beginnen
wir von vorne, bei der beschwerlichen Anreise.
Das von mir ausgewählte Mauerstück namens Jinshanling
(soviel wie "goldene Bergkette") liegt ca. 120 km nordöstlich
von Dongzhimen, einer U-Bahnhaltestelle inkl. mehreren grossen Busbahnhöfen
im Osten von Beijing. Ich wohne aber im Nordwesten der Stadt. Zuerst
also mit der Stadtbahn bis zur U-Bahn, dann mit der U-Bahn zu Dongzhimen,
dort mich durch mehrere Busbahnhöfe durchfragen, wo denn der
Bus nach Miyun, auch nur eine Zwischenstation fahre, dann mit dem
Bus bis nach Miyun (1. Hälfte), dort aussteigen und ein "Miandi",
einen Minibus, mieten. Hier geht es natürlich immer zuerst
darum, den Preis und alle sonstigen Bedingungen auszuhandeln. Die
Fahrerin wollte mir nachträglich z.B. noch eine Parkgebühr
in Simatai aufbrummen (dort mussten die Miandi-Inhaber, ein Ehepaar,
auf mich warten). Ich weigerte mich, weil sie mir davon nichts gesagt
hatte. Wichtig in solchen Fällen ist immer, dass man nur gerade
den Teil bezahlt, den man wirklich gerade abgefahren ist.
Vielleicht noch eine Geschichte am Rande: Bereits am Dongzhimen
wurde ich von einem "was auch immer-Händler" angesprochen.
"Hey", rief er, "wohin willst du?" Als ich auf
Chinesisch antwortete, dass ich zur Mauer nach Jinshanling fahren
will, sagte er gleich: "Na, wenn du Chinesisch kannst, dann
weisst du ja, wie es läuft. Komm wir verhandeln, sag einen
Preis!" Aber unsere Preisvorstellungen lagen zu weit auseinander,
so dass er schnell aufgab. Sehr oft werden in solchen Fällen
alle Register gezogen, wie z.B. "die Strasse wird gerade repariert,
du wirst keinen Fahrer dort oben in Simatai finden". In Tat
und Wahrheit ist es so: Die Strasse müsste repariert werden,
aber man lässt sie so wie sie ist.
Mein Fahrer, der irgendwie auch noch einen Streifschuss von den
Genen von Michael Schuhmacher abbekommen hat, fuhr mich vor allem
schnell, nicht unbedingt sicher, nach Jinshanling. Dort beginnt
die Grosse Mauer zuerst so, wie wir sie aus Büchern oder allenfalls
bereits von eigenen Besuchen her kennen: Als restauriertes Mauerstück.
So zeigt sie sich denn auch auf den Bildern unten. Dieses Mauerstück
ist aber - und das ist das Schöne - weit weniger begangen,
als die berühmteren Abschnitte von Badaling und Mutianyu. Selbst
Simatai ist bekannter. Vor mir lagen nun ca. 9 km Grosse Mauer bis
Simatai.
Noch einige Details für Interessierte: Die Zahl der Besucher
auf dem beschriebenen Mauerstück ist um ein Vielfaches kleiner
als z.B. Badaling. Trotzdem gibt es auch auf diesem Abschnitt Einheimische,
welche einem notorisch alles Mögliche mehr oder weniger Sinnvolle
verkaufen wollen. Zudem möchten auch sie jeden ausländischen
Mauergänger begleiten, ihm unterwegs helfen, Wasser verkaufen,
Postkarten verkaufen etc. Wenn man ihnen auf Chinesisch klar und
deutlich zu verstehen gibt, dass man keine Begleitung wünscht
und dass man "shenme dou bu yao" (was immer es ist, ich
will es nicht)j, dann wird man in Ruhe gelassen. Sobald man in Richtung
Simatai kommt, muss man nochmals 30 Yuan Eintritt zahlen (!). Ja,
hier sei eben eine andere Einheit (duanwei), da drüben sei
die Provinz Hebei und hier Beijing, meinten die Verkäufer unbeeindruckt
von meinen Entgegnungen. Dafür kann man mit diesem Ticket auch
noch gleich die restaurierte Mauer von Simatai (letztes Foto) begehen.
Davor ist dann noch eine Brücke, bei der ich gratis durchgekommen
bin. Ein Mann dort mauschelte aber etwas von 5 Yuan. Einfach zur
Info für die Nächsten, die dort durch müssen. Das
Mauerstück ist wirklich nur für gute Wanderer, da es steil
ist, manchmal rutschig und gewisse Stellen schwierig bis gar nicht
passierbar sind (ein Turm muss z.B. umgangen werden).
Das 1. Bild zeigt die Steilheit der Mauer, die immer wieder überrascht.
Auf dem 2. Bild sehen wir quer zur Laufrichtung Wände mit einer
Scharte auf Augenhöhe. Diese Wände dienten zum Schutz
vor Angreifern, welche die Mauer erklommen hatten. Auf dem 3. Bild
sieht man das Drainage-System, welches ganz wesentlich die Haltbarkeit
und Stabilität der Grossen Mauer bestimmte. Die kleinen Wülste
quer zur Mauer führten zu Mauerdurchlässen und sollten
dort bei Regen das Wasser abführen. Auf dem 4. Bild links sehen
wir weitere Schutzwände analog denen auf dem Bild 2. Das 5.
und die folgenden Bilder zeigen die Mauer nach dem restaurierten
Teil. Man sieht wiederum Schutzwände, dann aber auch, was mit
der Mauer passieren kann (z.B. kollabieren unter dem stetigen Wassereinfluss).
Das 8. Bild zeigt einen Blick zurück. Das 9. Bild konnte ich
nach ca. 3 h Wanderung am Ziel aufnehmen: Die atemberaubende 1.
Flanke der Mauer bei Simatai.
Am anderen Ende in Simatai wartete dann tatsächlich Mr. M.
Schuhmacher auf mich. Im gleichen Tempo ging es zurück nach
Miyun. Ach, da war noch dies: Einmal sah er eine Schanze in der
Strasse zu spät. Ich dachte, ich fliege ungebremst durch's
Dach, aber irgendwie ging es glatt. Frau Schuhmacher schimpfte ganz
gehörig. Aber einen zukünftigen Sieger kümmert das
nicht...
Jürg Wiesendanger
Sekretariat Wushu Akademie Schweiz:
info@wak.ch
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