Newsletter Nr. 4: Suzhou - Shanghai in 20 Minuten und deren Folgen...

Der Infrastrukturausbau in China, gerade im Bereich der Hochgeschwindigkeitsbahn, ist atemberaubend.

 

Von Huangshan Stadt (der eigentliche Name der Stadt ist Tunxi, aber Huangshan Stadt lässt sich besser vermarkten) fuhr ich am 18. November in einer mühsamen, gut sechs Stunden dauernden Busfahrt nach Suzhou in der Provinz Jiangsu, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Shanghai. Ich hatte ein offizielles Busticket und doch schien mir die Fahrt nicht gar so offiziell. Da wurde hier angehalten und auf jemanden gewartet, telefoniert, organisiert, Güter eingeladen, irgendwo an einer Tankstelle, wo dann einer mit einem Lieferwägelchen wartete, wieder ausgeladen usw. Obwohl fast für den ganzen Weg die Autobahn zur Verfügung stand, fuhr der Fahrer deshalb eben allzuoft auf andern Strassen. Dort hat er dann auch mal wieder Leute aufgeladen, die noch kurz den Preis verhandelten etc. So war ich immer auch irgendwie angespannt, weil ich dachte, plötzlich wird da noch mein Koffer irgendwo per "Äxgüsi" ausgeladen... Einen Fahrgast haben wir tatsächlich gar auf der Autobahn aufgeladen!

 

Suzhou wird nächstes Jahr auf unserer Chinareise vermutlich unser letzter Halt vor dem Rückflug von Shanghai zurück in die Schweiz sein. Deshalb wollte ich die Stadt nochmals etwas genauer unter die Lupe nehmen. Auch wollte ich herausfinden, ob wir den Teilnehmenden von hier aus einen Abstecher mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Shanghai offerieren könnten. Das Hochgeschwindigkeits-Zugsnetz wird mit unglaublicher Geschwindigkeit ausgebaut. Die 1318 km lange Strecke von Beijing nach Shanghai etwa, welche diesen Sommer eröffnet worden ist, hat man in nur drei (3!!!) Jahren (2008 bis 2011) fertig gebaut. Die Fahrzeit zwischen diesen Städten dauert ca. 5 Stunden (es gibt offenbar zwei Geschwindigkeiten und damit zwei Preise). Am Sonntag werde ich den Weg zurück nach Beijing damit antreten und nicht wie gewohnt fliegen.

 

So stieg ich kurz nach meiner Ankunft in Suzhou bereits in einen Hochgeschwindigkeitszug und raste mit 250 km/h Richtung Shanghai (für umgerechnet nicht mal Fr 4.-). In Shanghai haben sie am Hongqiao-Flughafen, dem früheren internationalen Flughafen, einen riesigen Hub für die Hochgeschwindigkeitszüge gebaut. Dieser Hub ist selbstverständlich auf vielerlei Weise mit dem innerstädtischen Netz, u.a. natürlich auch der U-Bahn, verbunden. So fuhr ich dann von dort mit der U-Bahn an den berühmten Bund. Das ist der Prachtsboulevard mit seinen Bauten aus der Kolonialzeit. Der Boulevard wurde für die Expo 2010 nochmals ausgebaut. Von da gibt es für einmal aber keine Bilder. Das Wetter war einfach zu schlecht. Ich schlenderte noch etwas herum, bekam in einer Nebenstrasse zur berühmten Einkaufsstrasse Nanjing Lu für umgerechnet gerade mal etwas mehr als Fr. 1.- ein wunderbares Abendessen vorgesetzt und wollte dann gleich wieder zurück nach Suzhou. Den Zug muss man allerdings vorreservieren und der nächste freie Platz war leider erst wieder drei Stunden später!

 

Der Zug zurück kostete dann fast Fr. 6.- und fuhr dafür mit rund 300 km/h Richtung Suzhou. Da dieser Zug andere Stopps einlegte, als der bei der Hinfahrt, fragte ich meinen Sitznachbar zur Sicherheit während der Fahrt noch, ob nun die nächste Haltestelle Suzhou sei. Ja, antwortete er und überliess mich dann, als ich kurz darauf einnickte, doch meinem Schicksal. Ich erwachte erst wieder, als wir bereits kurz vor dem nächsten Bahnhof in Wuxi waren. Es war bald 22.30 Uhr und wir waren nur 15 Minuten über Suzhou hinaus. Aber eben, wenn man mit 300 km/h unterwegs ist, macht das ein paar Kilometer aus (rechnet selber...). Auf jeden Fall sagte man mir, dass ein Auto zurück (wenn ich denn um diese Zeit noch eines für diese Strecke finden würde) rund eine Stunde unterwegs wäre. Zum Glück schrieb mir ein netter Bahnangestellter in Wuxi das Billet sofort um und hetzte mich auf den nächsten Hochgeschwindigkeitszug zurück nach Suzhou. So kam ich doch noch zu einer einigermassen christlichen Zeit in Suzhou an...wie ca. 200 andere Reisende, welche ich am Taxistand VOR mir in der Schlange vorfand. Nach einer halben Stunde anstehen, wurde ich dann doch noch in ein Taxi verfrachtet. In China muss man einfach in andern Dimensionen rechnen. In allen Lebenslagen.

 

Herzliche Grüsse in die Schweiz

 

19.11.2011/Jürg Wiesendanger

 

 

 

Dies ist die riesige Halle in Shanghai, von wo aus die Fahrgäste zu den einzelnen Hochgeschwindigkeitszügen gehen. In diesen Bereich kommt man nur mit einem gültigen Billet. Links und rechts gehen die jeweiligen Ausgänge zu den Zügen weg. Es erinnert alles ein bisschen an einen Flughafen mit einem Terminal und den einzelnen Gates. Selbst das Gepäck wird durchleuchtet wie am Flughafen. Danach fahren sie noch mit einem Detektor an dir hoch und runter und das pfeift dann die ganze Zeit. Durchgelassen wird man allerdings doch.
Der Hochgeschwindigkeitszug, auch kurz nur "gaotie" (zusammengesetzt aus den Bestandteilen der Wörter für Geschwindigkeit "gaosu" und "tielu" für Schiene bzw. Eisenbahn) genannt, bei meiner Ankunft in Shanghai.
 
  An d
 
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