Newsletter Nr. 1: Ein erstes Lebenszeichen aus Beijing

Wieder einmal nur Training, Training, Training.

 

So, endlich das erste Lebenszeichen von mir aus Beijing. Da ich dieses Mal seit längerer Zeit wieder einmal nur Training auf dem Menüplan in China stehen habe, gibt es natürlich nicht allzuviel zu berichten. Langjährige Verfolger meiner News aus China wissen, dass ich hier stets in der Ausländerklasse von Lehrer Huang mittrainiere und mich einfach ins aktuelle Programm einfüge. Dabei handelt es sich um ein Programm an der hiesigen Sportuniversität, mit einer grossen Wushu-Abteilung, in der eben auch Taijiquan ein Bestandteil ist. Wahrscheinlich war das Niveau in dieser Klasse noch nie so hoch wie jetzt, was mir natürlich gut tut und mir auch Gelegenheit gibt, Andere beim Üben zu studieren. Weiterhin dabei, ich habe ihn in früheren Jahren schon mehrfach erwähnt, ist Zhao Yi, ein Japaner, der nun im Juni sein reguläres Studium in Taijiquan abschliessen wird. Er ist wirklich sehr, sehr gut geworden und ich trainiere gerne mit ihm.

 

Weiterhin dabei ist auch Zha Mo, ein Franzose, mit richtigem Namen Samuel, der auch schon sein drittes Jahr hier in Beijing verbringt. Er studiert aber nicht an der Uni, sondern besucht einfach jeden Tag diese Klasse, welche morgens von 8-10.30 Uhr, manchmal auch bis 11.30 Uhr trainiert. Aufgrund der gewaltigen Luftverschmutzung diesen Winter (er sagte mir, jeder in der Klasse sei krank geworden), habe er sich nun aber entschlossen, in diesem Jahr zurück zu gehen.

 

Ich selber wohne im schon oft von mir belegten Xijiao-Hotel am Wudaokou, einem Schmelztiegel vor allem für Studenten aus aller Welt im hohen Nordwesten von Beijing.Hier ist das grosse Universtitätsviertel mit den so berühmten Unis wie Peking Universität und Qinghua Universität. Leider ist die Verkehrssituation mittlerweile derart schlimm, dass ich nächstes Mal unbedingt versuchen werde, auf dem Uni-Gelände zu wohnen. An sich war schon dieses Mal dort ein Zimmer reserviert, aber am Tag der Anreise war das dann trotzdem nicht frei (es laufe ein Kurs an der Uni und man hätte alle Zimmer gebraucht...jaja, so einfach geht das).

 

Da Zhao Yi im Sommer an den japanischen Meisterschaften im Chenstil-Taijiquan teilnehmen wird, trainiert er jeden Nachmittag noch rund zwei Stunden bei Lehrer Huang. Da habe ich mich nun gleich angehängt und bekomme jeweils Einzelkritik, weil wir die Formen einzeln vorzeigen. Das ist wahnsinnig gut und macht auch entsprechend müde, weil natürlich alle Bewegungen voll durchgezogen werden und der Chenstil hat da ja einiges zu bieten.

 

Was mich immer wieder erstaunt, ist die Anzahl Lehrer, die ich aus all den Jahren noch kenne und die mir stets mit einem Lächeln begegnen. Offenbar mögen auch sie sich noch erinnern (warum auch immer...). Eine Lehrerin, die ich wirklich noch in bester Erinnerung habe (ich glaube, ich habe noch in keinem Privatunterricht so viel Blut geschwitzt wie bei ihr damals vor über 10 Jahren), meinte gestern völlig verblüfft, wie es komme, dass ich nicht altere. Jaja, ich zeigte ihr dann meine weissen Haare. Es ist interessant, wie andere Kulturen bei solchen Beurteilungen andere Kriterien zu Rate ziehen als wir.

 

Am Samstag fahre ich nun zur Grossen Mauer nach Jinshanling, wo wir ja stets mit unseren Reisegruppen hingehen. Ich möchte da mal eine Nacht verbringen und hoffe, dass ich einen schönen Sonnenauf- und eingen ebensolchen Sonnenuntergang vor die Linse kriege. Deswegen werde ich gleich bei der Mauer selber übernachten. Etwas ungewiss ist noch der Transport dahin, weil selbst im Internet verschiedene Wege aufgezeigt werden, wie man dahin kommt. Ein Kioskverkäufer, mit dem ich ins Gespräch kam, sagte mir dann jedoch klipp und klar: "Ich fahre oft in diese Richtung. Geh zur Haltestelle "san yuan qiao", warte bis ein Bus vorbei kommt, der mit "Chengde" [eine alte Sommerresidenz der Kaiser weit ausserhalb Chinas und ein beliebtes Ausflugsziel] angeschrieben ist und steige dort ein. Sie werden 100 Yuan oder so für die Fahrt wollen, aber gib ihnen einfach 50. Das reicht."

 

Naja, übermorgen werde ich euch mehr darüber erzählen können. Oder später. Je nachdem, wohin der Bus dann tatsächlich gefahren ist...

 

Herzliche Grüsse in die Schweiz

 

17.5.2013/Jürg Wiesendanger

 

 

Hier noch einige wenige Fotos aus meinen ersten Tagen hier:


Am Freitag, während unserem Privattraining am Nachmittag, wurde für eine kleine japanische Delegation eine Vorführung organisiert. Hier ein Teil der Vorführenden in ihren sehr kunstvollen Gewändern.
An der Vorführung gab es auch Taijiquan von diesem jungen Mann hier mit "die cha* aus dem Chenstil.
Sehr schön fand ich auch sein "Gwändli".
Was man nicht alle Tage sieht: Affenstil! Wer den Affen überzeugend darstellen will, muss auch ein guter Schauspieler sein.
Zudem braucht er einen metallenen Stock, auf dem er die tollsten Dinge machen kann. Leider gelang mir dann davon kein Bild. Wie immer war es in der Halle sehr dunkel und ich wurde überrascht, so dass ich nicht das richtige Objektiv drauf hatte.
Hier das Schlussbild der Vorführung, der schon eingangs gezeigten Gruppe (der Ball wird mit dem Schläger geführt und soll diesen, trotz zum Teil virtuosen Bewegungen, nie verlassen).
Was ist das? Wer genau hin sieht, kann auf dem Schild "Beijing Subway" erkennen. Die Foto entstand am Wudaokou (im Text oben erwähnt). Die Leute in Farbe stehen in einer Schlange, was auf dem Bild schwer zu erkennen ist (darum habe ich die Foto schwarz-weiss gehalten und nur die Leute, welche in der Schlange stehen, in Farbe belassen). Sie wollen alle in die U-Bahn! Das Bild entstand am Freitagabend ca. 18 Uhr. Das sind halt so die Dimensionen hier, in einem Land mit einer Bevölkerung von 1,3 Mrd.
Auch hier stellt sich die Frage, was auf diesem Bild genau zu sehen ist. Des Rätsels Lösung: eine Bahnschranke!
Eine unkonventionelle Bahnschranke, die man hier wohl deshalb seit meinem letzten Aufenthalt einbaute, weil man die Menge an Menschen nur noch so unter Kontrolle halten kann. Es dauert allerdings ewig, bis sie ausgefahren und auch entsprechend lange, bis sie wieder zurückgefahren ist. Zudem bietet sie weiterhin einen sicheren Arbeitsplatz für drei Personen. Wer genau hinsieht, bemerkt auch einen Herrn in Zivil, der noch ein Band aufspannt, weil die Schranke zu wenig lang ist. Ob ein Planungsfehler vorliegt oder es bewusst so gemacht worden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
 
 
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