EM Bukarest Tag 4: Fünf Medaillen für die Schweiz!

An erster Stelle steht die Freude über den grossartigen Erfolg der Schweizer AthletInnen, aber...
 

Heute gewann die Schweiz fünf Medaillen in vier verschiedenen Disziplinen:

 

Pascal Dutoit Silber Dao Pflichtform 2 (Säbel 2001)
Livia Lochmann Silber Jian Pflichtform 2 (Schwert 2001)
Cristina Giachino Bronze Jian Pflichtform 2 (Schwert 2001)
Benjamin Müller Bronze Jian Pflichtform 1 (Schwert 1989)
Sami Ben Mahmoud Bronze Nandao (freie Formen)

 

Mit so einem grossen Team und so vielen Kategorien liegen logischerweise Siege und Enttäuschungen sehr nahe beieinander. Wir haben heute von beidem viel bekommen. Natürich freut sich das Team über jede Medaille, aber gleichzeitig sind unsere Gedanken auch immer bei denjenigen, welche enttäuscht sind, welche ihr gewünschtes Resultat nicht erreicht haben, Pech hatten oder insbesondere bei denjenigen, welche - und das gab es leider - einfach gegen die Schiedsrichter keine Chance hatten.

 

Der Tag startete mit einer "Bombe" von Rolf Pachlatko, welcher in den freien Formen mit dem Säbel die Tageshöchstnote der Schweizer AthletInnen erreichte (9.41!). Er freute sich riesig und wir uns alle mit ihm, auch wenn die Note dann doch nicht ganz für eine Medaille reichte. Aber in einem starken Feld mit 16 Teilnehmenden erreichte er den 5. Platz. In dieser Kategorie ging dann die Note von Jehmsei Keo mit 9.07 und dem guten 10. Platz fast etwas unter.

 

Am Nachmittag kamen dann all die oben beschriebenen Medaillen, die uns viel Freude machten, bei denen aber auch Enttäuschungen mitschwammen. Aber beginnen wir von vorne: Wer an einer EM (nur EM, nicht WM!) teilnimmt, weiss, dass die Ukrainer und die Russen das Gros aller Medaillen abholen. Sie haben unbestritten die höchste Leistungsdichte in Europa. Aber es besteht ganz unzweifelhaft im Sog der besten dieser AthletInnen auch die klare Tendenz, dass oftmals ein Auge zugedrückt wird, wenn ihnen ein Fehler passiert oder dass ihre etwas schwächeren AthletInnen (sie schicken auch solche!), von einem Bonus profitieren. Was uns auch immer wieder aufstösst, ist die Tatsache, dass oft versucht wird, eine SO nicht ersichtliche, hohe Notendifferenz zwischen diesen Athletnnen und dem Rest Europas zu legen. Irgendwie nervt das, aber weil es schon so lange so ist, hat man sich auch ein Stück weit daran gewöhnt. Zahltag sind dann allerdings oft die Weltmeisterschaften, wo es natürlich keinen solchen Bonus mehr gibt und die Resultate bei Weitem nicht mehr so erfolgreich ausfallen.

 

Heute nun kam aber noch eine weitere Komponente hinzu: Shunni Beutler zeigte eine starke Säbelform und erreichte doch "nur" den sechsten Rang. Wir hingegen sahen ihn sogar im Bereich der Medaillen. Noch krasser wurde es, als man im Säbel der Junioren Jan Giachino nach seiner guten Form nicht in den Medaillen wiederfand. Ihm wurde ein Spanier vor die Nase gesetzt, dessen Note ein Phantasieprodukt der Jury war. Der Gipfel wurde erreicht, als in der letzten Kategorie, einer Dreierkategorie notabene, die Schweiz unbedingt den Sieg und am besten noch den zweiten Platz wollte, damit die Medaillen "wertvoller" werden. Gewonnen hat eine Italienerin, welche gut sprang, aber schwerttechnisch eindeutig hinter Livia und Cristina lag. Beide sind natürlich nicht speziell glücklich, trotz der Medaille. Cristina ist es zudem hoch anzurechnen, dass sie trotz Verletzung und grossem Trainingsrückstand sich durchgebissen und alles versucht hat.

 

Bei den JuniorInnen war also die Schiedsrichterei heute zumindest teilweise ein veritables Ärgernis. Der geneigte Leser möge nicht denken, ich würde nun auf meine alten Tage hin, noch die Schiedsrichter in den Mittelpunkt stellen. Trotzdem muss das hier jetzt mal auf den Teppich. Zudem ist diese Homepage glücklicherweise keine Verbandshomepage, auf der man sich wohl zurückhaltender wird äussern müssen. Hier hingegen kann der Schreibende sagen, was er denkt. Ein Stück weit muss man in einem Sport, in dem es Noten gibt, immer mit solchen Dingen rechnen und damit umgehen können. Heute hingegen verstehe ich den Ärger einiger AthletInnen voll und ganz.

 

Enttäuscht war auch Rebecca Beuggert, die mit einem minimalen Abstand von gerade mal 7 Hundertsteln Platz 3 und damit Bronze im Säbel der Frauen verpasste. So haben die einen ihr gutes Abschneiden, die andern ihre Enttäuschung zu verarbeiten. Manchmal sind das auch schwierige Konstellationen, weil die Dinge so nahe beieinander liegen. Mein persönlicher Eindruck jedoch ist, dass das Team auch in dieser Hinsicht gut funktioniert.

 

Der Tag heute war extrem lange und am Nachmittag hatte es zudem enorme Verspätungen von bis zu 90 Minuten. Die AthletInnen waren irgendwie ständig am Aufwärmen und mussten stets von neuem Spannung aufbauen. Unsere letzten beiden Athletinnen kamen erst nach 17.30 Uhr dran. Aber auch diese kleinen Erfahrungen sind wichtig und lassen die AthletInnen schon früh eine gewisse Gelassenheit ob solch unabänderlicher Dinge entwickeln. Die JuniorInnen erlebten heute auch, wie die rumänische Schwertathletin begleitet von einer völlig ausser sich geratenen Trainerin unablässig zusammengestaucht worden ist. Zum Schluss stand die Athletin weinend auf dem Teppich und versuchte sich inmitten all der andern Athletinnen warm zu machen.

 

Nachfolgend nochmals der Link zu allen Resultaten und Startlisten. Dort könnt ihr oben entweder die Polivalenta Sporthalle anwählen oder direkt die Wettkampffläche (auf Area 1 finden in aller Regel die Elite-Wettkämpfe statt, auf Area 2 die der JuniorInnen). Danach öffnet sich eine Liste mit allen Kategorien. Klickt diese an, dann erhält ihr die Startliste (wenn der Wettkampf noch nicht vorbei ist oder die Startliste mit den Noten).

 

So, morgen stehen nun noch die Langwaffen auf dem Programm. Mittlerweile kennen wir unsere Gegner einigermassen und können sie einschätzen. Ich werde aber hier nun nicht irgendwelchen Druck aufbauen, sondern wünsche dem ganzen Team für morgen ganz einfach viel Erfolg!

 

 

Jürg Wiesendanger/9.5.2014

 

 

Ein Anblick, an den wir uns gewöhnen könnten: Jan Giachino und Pascal Dutoit auf dem Podest. Hier erhalten sie die Medaillen für ihre Changquan-Leistung vom Vortag.
Shunni Beutler bei der Vorbereitung zu seiner Säbelform. Er wird von Wu Yongmei intensiv betreut, so dass ich kurz zum Fotografieren kam.
Hier stehen die Athleten jeweils vor der Form, wonach das "Line-Up" erfolgt, bei dem auch die Waffenlänge überprüft wurde. Shunni hat seit dem Mannschaftstraining Beschwerden im Knie, aber jeden Tag tapfer gekämpft. Von Rolf Pachlatko, der noch in diesem Jahr sein Staatsexamen zum Arzt macht, seiner Mutter und Yongmei wurde er immer wieder umsorgt (so wie hier auf dem Bild, wo Yongmei bis im letzten Moment "dran" bleibt). Hier im Bild sehen wir auch Charlie, der zwar als Zuschauer gemeldet ist, es aber "da oben" natürlich nicht aushält und deshalb gerne aushilft. Wir Coaches und auch die AthletInnen schätzen das sehr. Überhaupt ist die gegenseitige Hilfsbereitschaft im Team sehr gross.
So, gleich gehts los. Die Anspannung steigt nochmals.
Auf diesem Bild sehen wir Jehmsei Keo mit einem seiner schön gestreckten xuanzi während seiner Säbelform.
Dieses Bild in einem überbreiten Format und Rolf als einzigem Farbfleck soll wieder einmal die Einsamkeit des Wettkämpfers zeigen.
Ist das das Geheimnis seines Erfolges? Sami übt während der endlos langen Siegerehrung mit Yongmei Taijiquan.
Hier transferiert Yongmei noch etwas von ihrem Qi in Samis Arme. Wetten, dass dies das entscheidende Puzzleteil zur Bronzemedaille vom Abend im Nandao war?;-)
Das Schlussfoto dieses Tages gehört aber ganz klar diesen beiden Jungs. Herzliche Gratulation!



 

 
 
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