6 Wochen China - Intensiv und lehrreich

Es war seit 1993 mein insgesamt 8. Aufenthalt in China (total rund 10 Monate). Mein diesjähriger Aufenthalt in China gliederte sich in 3 Teile:

18.2.-21.3.2001

Aufenthalt in Beijing (Peking) mit Chinesischstudium an der renommierten Beijing Yuyuan Wenhua Daxue (Hochschule für Fremdsprachen und Kultur) und Taijiquan-Training an der Beijing Tiyu Daxue (Sportuniversität)

21.3.-26.3.2001 Teilnahme an der 1. Weltkonferenz für Taijiquan und Gesundheit in Sanya auf der Insel Hainan
26.3.-31.3.2001 Wushu-Training in Xi'an in der Schule des berühmten Zhao Changjun

Teil 1: Beijing mit Sprachstudium und Taijiquan-Training

Einige Freunde und Bekannte wünschten mir vor der Abreise "schöne Ferien". Diese "Ferien" sahen dann vom Tagesablauf etwa so aus:

06.45-07.30 Uhr Vorbereiten Unterricht (des öfteren Schriftzeichen schreiben, meine Schwäche)
08.00-12.00 Uhr Intensivunterricht an der Fremdsprachenhochschule
13.00-14.00 Uhr Vorbereiten Lektion vom nächsten Tag
14.30-16.30 Uhr
Privattraining an der Sportuniversität bei den Lehrern Huang Kanghui und bei Zong Weijie. Letztere war 1988 chinesische Meisterin im Wu Taijiquan und studierte danach an der Sportuniversität Wushu.
19.00-21.00 Uhr Chinesischunterricht in einer Kleinklasse.
22.00-01.00 Uhr Repetieren, vorbereiten und vor allem wieder intensiv chinesische Schriftzeichen schreiben, schreiben und nochmals schreiben.

Von daher war Beijing sehr anstrengend, aber da ich jeweils sehr motiviert bin, ist es nicht so belastend, wie es auf den ersten Blick aussehen mag. Auch dieses Jahr sind da und dort wieder einige Lichter aufgegangen, wurde vieles vertieft und Fragen geklärt. Jedes Jahr bestätigt sich für mich von Neuem, dass sich eine Sprache in kurzer Zeit nirgends besser lernen lässt als im entsprechenden Land selber. Auch das Training, das ich dort erhalte, bringt mich und damit auch unsere Schule jedesmal wieder einen Schritt weiter. Gerade die dabei mit Trainern und Trainerinnen geknüpften Beziehungen sind wertvoll. So kann ich vor Ort erfahren, ob diese oder jener zu uns passt und ich ihn oder sie allenfalls für ein Seminar in die Schweiz einladen kann.
In Beijing habe ich zudem mit der Leiterin der Abteilung für auswärtige Beziehungen der Sportuniversität erste Sondierungsgespräche geführt, die allenfalls in Zukunft zu einer engeren Zusammenarbeit führen könnten. Dabei haben wir insbesondere die Ausbildung von Lehrkräften im Bereiche Taijiquan angesprochen.

 

Teil 2: Hainan, Teilnahme an der 1. Weltkonferenz für Taijiquan und Gesundheit

Nach einem vierstündigen Flug von Beijing herkommend landete ich am Abend des 21. März in Sanya, einer Stadt im Süden Hainans. In Beijing waren erst kürzlich noch frostige Temperaturen gemessen worden, in Sanya empfingen mich feuchtheisse 25 Grad (um 21.00 Uhr abends). Der Blick aus dem Hotelfenster verhiess ebenfalls Gutes (siehe nebenstehendes Bild). Also auch hier hätte der Spruch "schöne Ferien" im ersten Moment scheinbar gepasst.
Wie in Beijing waren es dann eher Ferien der anstrengenden Art, aber sehr unterhaltsam, lehrreich und informativ. An dieser 1. Weltkonferenz haben über 4,000 Taijiquan-Begeisterte aus über 20 Nationen teilgenommen (auch wenn die Chinesen und Auslandchinesen natürlich weit in der Überzahl waren). Ich war dort zusammen mit Urs Krebs, der mit seiner Frau, Wu Yongmei in Bern eine Wushu-Schule leitet. Er hat übrigens auf seiner Homepage einen sehr detaillierten Bericht veröffentlicht, auf den ich hier gerne verweise (http://wushutaiji.virtualave.net), weil er sich mit meinen Eindrücken deckt (auch was gewisse kritische Anmerkungen anbelangt).

Riesiges Plakat an der 1. Weltkonferenz Taijiquan und Gesundheit (meine Wenigkeit auf dem Bild ist ca. 1.70 m)

Wir haben anlässlich der Konferenz die neuen Formen wie 8er- und 16er-Faustform sowie die neue 16er-Schwertform gelernt und am Schluss auch noch eine Prüfung abgelegt. Dazu konnte man Wettkämpfe besuchen, mit berühmten Vertretern aller Stile trainieren, Vorführungen grosser Meister sehen und Vorträge über neuste wissenschaftliche Erkenntnisse in Sachen Taijiquan besuchen. Ein Höhepunkt war sicherlich die Vorführung von Taijiquan an einem Strand von Sanya. Nach Angaben der Organisatoren haben ca. 10,000 Leute an daran teilgenommen. Wir haben dabei 5mal die 24er-Form gemacht. Es war ein einmalig eindrückliches Erlebnis.

Hier sind einige der angesprochenen berühmten Lehrer abgebildet, die in Sanya anwesend waren. Rechts: Yang Zhenduo, Sohn von Yang Chengfu, Begründer der traditionellen Yangform. Unten links: Chen Zhenglei, einer der vier "Wächter Buddhas" und offizieller Familienvertreter des Chenstils. Unten rechts: Zeng Nailiang. Sein Schüler Chen Sitan hat 1997 die chinesischen Meisterschaften und im selben Jahr die Weltmeisterschaften in Rom gewonnen (jeweils Taijiquan Faustform). Entschuldigt bitte die Lichtschwäche, aber als die Lehrer Zeit hatten, war es bereits Abend.

 

 

Teil 3: Training in Xi'an in der Schule von Zhao Changjun

In Xi'an war ich nun schon zum vierten Mal und ich komme immer wieder gerne hierher zurück. Nie hätte ich mir 1996 träumen lassen, dass es so einfach wäre, mit Zhao Changjun Freundschaft zu schliessen und zwar ganz einfach weil er ein Star ist (siehe Lebenslauf). Dabei hat er keinerlei Allüren und ist höflich, zuvorkommend und interessiert. Seit er uns 1998 in der Schweiz besucht hat und 3 Wochen bei uns zu Hause gewohnt hat, ist das Eis vollends gebrochen. Ich fungiere deshalb in Europa gerne als Vermittler (gratis!) für Wushu-Sportler, die in Xi'an kürzere oder längere Zeit trainieren möchten.

Trainiert habe ich diesmal bei Lehrer Bai Wenxiang, der mich pro Tag jeweils 4 Stunden pro Tag in die "Geheimnisse" der neuen Wettkampfformen Stock und Speer einweihte. Diese Formen wurden letztes Jahr offiziell vorgestellt und werden bereits an den nächsten Wushu-Weltmeisterschaften in Armenien vom Oktober 2001 neben den alten Wettkampfformen zugelassen sein.

Am 30. März ging es zurück nach Beijng und am 31. März, also am Sonntag, flog ich zurück in die Schweiz. Es war einer meiner anstrengendsten Aufenthalte in China, aber auch einer der lehrreichsten. Deshalb auch wird es sicherlich nicht mein letzter Aufenthalt in China gewesen sein.

Jürg Wiesendanger

 

 

Sekretariat Wu Shu Akademie Schweiz:
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